Dortmund am 14.04.2018. Eine europaweit vernetzte Neonaziszene, eine Stadt, welche in ihren Randbezirken und nun auch im Zentrum Faschist*innen regelmäßig Platz und Gehör verschafft, und verschiedene mobilisierende Bündnisse. Das alles nur eine Woche vor Adolf Hitlers Geburtstag – Willkommen zur Großdemonstration in Dortmund…
Die Sicherheit und das Selbstbewusstsein, mit dem die in Dortmund auftretenden Rechten posierten, wurde bereits am Freitag gefährlich deutlich, als eine Gruppe Antifaschist*innen auf dem Weg zum Bahnhof abgefangen und in der Stadt beinahe zur Konfrontation gezwungen worden wäre. Die Gesichter der örtlichen linken Aktivist*innen scheinen bekannt genug, um in ihrer Gesellschaft der dauerhaften Gefahr einer Wiedererkennenung ausgesetzt zu sein – ein Zustand, welcher sonst eher Städten wie Bautzen zugeschrieben wird. Auch später, gegen Abend konnten am Dortmunder Hauptbahnhof noch größere, mit Fahnen in Reichsfarben ausgestattete, anreisende Gruppen beobachtet werden, die lautstark rechte Parolen riefen und sichtlich alkoholisiert waren. Am nächsten morgen, einem Samstag, war bereits sehr früh deutlich, dass sich die vertetene Polizei über alle Vereinbarungen hinwegsetzen würde – Die angemeldete Kundgebung von „BlockaDO“ wurde kurzerhand verweigert und anreisende Antifaschist*innen kontrolliert an der Route der Faschist*innen vorbei gelotst, um dann auf einer Seite der gesperrten Kreuzung die eigentlich Kundgebungsort sein sollte, vor Hamburger Gittern zu stehen.
Das Filmen von Polizist*innen an selbigem Ort wurde übrigens mit einem Hinweis auf das StGB untersagt, wobei bis jetzt nicht geklärt ist, wie ein solches Verbot zustande kommen soll. Im Westpark wurden währenddessen Reiter*innenstaffeln und Hunde an Flexileinen durch den Park geführt, nebenan spielten Kinder auf dem Spielplatz. Getreu dem Motto „In Bewegung bleiben“ fanden sich die engagierten Aktivist*innen statt auf der BlockaDO Kundgebung nun zu einer Spontandemonstration zusammen und versuchten den ersten Durchbruch an polizeiliche Ketten, scheiterten, wobei überraschend wenig Pfefferspray zum Einsatz kam und primär von Fäusten Gebrauch gemacht wurde. Von Seiten der Antifaschist*innen wurde entschieden sich zurückzuziehen und weiter den Westpark zu durchschreiten.
Die resultierende Demonstration war laut, groß aber friedlich, blieb brav auf den Wegen und zerstreute sich nur wenig, was die Reiter*innenstaffeln nicht davon abhielt, einzelne Menschen abzudrängen und dabei mindestens eine*n Aktivist*in zu verletzen. Von den Pferden, welche durch mangelnde Erfahrung der Reiter*innen teilweise in Erdlöchern ausrutschten und sich dann nur mühsam auf den Beinen halten konnten, ganz zu schweigen. Warum eine Reiter*innenstaffel der Polizei in eine friedliche Demonstration reiten muss, dabei einzelne Aktivist*innen auf unsicherem Gelände abgedrängt und Verletzte in Kauf genommen werden, bleibt uns weiterhin schleierhaft. Ansonsten ging die Taktik der Dortmunder Polizist*innen, die linken Proteste müde laufen zu lassen und dabei möglichst wenig Kräfte zu binden, gut auf. Während des gesamten Tages liefen Aktivist*innen ungefähr 30 Kilometer und kamen letzten Endes doch nicht auf die eigentlich geplante Route, auch wenn es durchaus Momente gab, in denen ein Durchbruch möglich schien. Hier könnte der Demonstration und ihren Teilnehmer*innen laut Aussagen einiger Personen vor-ort mangelnde Entschlussfreudigkeit und vor allem fehlendes Tempo vorgehalten werden, wobei wir dies eher als Kritik und weniger als Vorwurf verstehen möchten. Während einige Aktivist*innen und Bezugsgruppen mutige Durchbrüche versuchten, die nur teilweise gelangen, achtete ein großer Rest der Demonstrant*innen nicht auf mangelnde Absperrungen links und rechts der Route und lief schnurstracks weiter geradeaus.
Gesammelt wurde sich schließlich in Sichtweite des Demonstrationszugs der rund 600 Nationalist*innen, wenn auch durch mehrere Reihen Gitter und Wasserwerfer, die natürlich stets in Richtung unserer knapp 2000 Genoss*innen zeigten, von diesem getrennt. Positiv hervorzuheben ist die Art und Weise, wie Ketten von Seiten der Antifaschist*innen gebildet und gehalten wurden. Die ersten Reihen garantierten so der restlichen Demonstration Sicherheit und machten den geordneten Rückzug möglich, täuschten sie doch einen Vorstoß vor, um sich dann gemeinsam mit dem Rest der Menschen in eine Seitenstraße zurückfallen zu lassen. Allerdings arbeitete auch die Polizei mit taktischen Mitteln, wie der Antäuschung einer Kesselbildung, um die Demonstration von der Route weg zu locken, was leider auch gelang. Dennoch hielten die Aktivist*innen auch in kritischen Situationen zusammen und so wurde diese eine der wenigen Demonstrationen, in denen Communiqué miterlebten, wie das BFE erfolglos versuchte in Kleingruppen einzelne Individuen aus dem Block zu greifen und dabei selbst von Teilnehmer*innen der Proteste gekesselt und abgedrängt wurde, ohne Aktivist*innen attackieren zu können…
Die brutale Rache der Polizist*innen für den so verhinderten Zugriff erfolgte Stunden nach den Ereignissen, nach dem Ende der Demonstration, als sich die meisten Gruppen langsam für die Abreise bereit machten und das BFE Thüringen wahllos in eine friedliche Gruppe prügelte, Aktivist*innen mutwillig verletzte und mittels fadenscheiniger Begründungen einer Ausweiskontrolle unterzog, woraufhin ein Aktivist mit dem Rettungswagen abgeholt werden musste und ein*e weitere*r noch Tage später dauerhaften Schmerzen leidet.
Die Faschist*innen selber liefen unter einem Meer von schwarz-weiß-roten Fahnen, welche eine beeindruckende Bildkomposition erschufen, die jedoch von ihrer, nennen wir es ärmlich organisierter Blockbildung, ausgeglichen wurde. Teilweise große Lücken in den Reihen der Nazis sorgten hierbei für ein eher unsouveränes Bild, wenn uns ironische Kritik an etwas so banalem erlaubt ist. Die Gefahr jedoch, die vor allem von den zugereisten Faschist*innen ausging, war nicht zu unterschätzen.
Die Situationen vor Ort und auch Schilderungen Dortmunder Antifaschist*innen und Geflüchteter, welche dieser Gefahr und Gewalt täglich ausgesetzt sind, bestätigen dies. Was im Osten Deutschlands als „Normalität“ wahrgenommen und auch gerne auf den Osten reduziert wird, hat sich auch im Ruhrpott breit gemacht: Die Mentalität, dass Nazis schon verschwinden würden, wenn sie nur lange genug ignoriert blieben. Die Realität sieht, wie insbesondere die Bundesrepublik gelernt haben sollte, leider anders aus.
Alles in allem bleibt retrospektiv über Dortmund zu sagen, dass die Grundlagen für eine erfolgreiche Blockade der Faschist*innen durchaus da waren, aber die vorhandenen Ressourcen nicht ausreichend genutzt wurden. Mit einem gemeinsamen Vorstoß an mehreren Stellen hätten vertretene Antfaschist*innen die Möglichkeit gehabt, auf die Route vorzudringen, was aus organisatorischen Gründen nicht umgesetzt werden konnte. Auf dem Zusammenhalt aber, der Fähigkeit linker Aktivist*innen miteinander zu interagieren, den stabilen Ketten und dem Abdrängen des BFE sollte in Zukunft aufgebaut werden, womit ein baldige Blockade faschistischer Aufmärsche auch in Dortmund möglich werden könnten. An Bürgerlichen Aktionen beteiligten sich rund 3000 weitere Menschen.
Allen verletzten Aktivist*innen an dieser Stelle eine gute und schnelle Besserung, allen angereisten und demonstrierenden Antifaschist*innen, insbesondere den verletzten, ein Dankeschön für euer Engagement und euren Einsatz.